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E-Duell: Kumpan vs. Stromer

Welches Zweirad mit Elektromotor soll es sein: S-Pedelec oder ein Roller?
E-Duell: Kumpan vs. Stromer

Auf zwei Rädern pendelt es sich im Alltag wesentlich bequemer mit Stromantrieb. Doch welches Zweirad mit Elektromotor soll es sein: S-Pedelec oder ein Roller?

Wer sich durch die Stadt und im Umland bewegen und dabei punkto Umweltbewusstsein punkten will, setzt auf elektrischen Antrieb – und da ich nicht auf vier Rädern im Stau versauern möchte, setze ich auf zwei Räder.

Mit zwei besonders schönen und flinken Exemplaren mache ich die Probe aufs Exempel – und lasse die beiden im City-Duell gegeneinander antreten: in der einen Garagenecke ein «Stromer ST2», das stylische Schweizer Speed-Pedelec, in der anderen Ecke ein Elektroroller «Kumpan 54i:gnite», der nachhaltige Herausforderer aus Deutschland.

Der Kumpan ist ein guter Kumpel: Vor den Toren der Stadt zeigt er, was er kann. (Foto: Matthias Göbel)

Wer an Motorroller denkt, denkt an eine Vespa: zeitlos schön, italienisch elegant und seit Jahrzehnten ikonischer Ausdruck lebensfroher Mobilität auf zwei Rädern. Vielleicht war das ja der Grund, warum Vespa-Hersteller Piaggio 2018 auf der Motorradmesse Eicma in Mailand den Stand der Gebrüder Tykesson durch die italienischen Finanzbehörden räumen liess. Der Vorwurf: Die ausgestellten Elektroroller der Marke Kumpan seien Vespa-Plagiate. Im Jahr 2020 liess das Europäische Amt für geistiges Eigentum (EUIPO) Piaggio abfahren: Die Kumpan-Roller verfügen über genügend eigenständige Merkmale. Case closed.

Stil und Anmut

Oberflächlich betrachtet, sieht man im Kumpan einen E-Roller, der einer Vespa in Sachen Stil und Anmut in nichts nachsteht. Schaut man aber genauer hin, erkennt man viele eigenständige und liebevoll gestaltete Details: die aus dem Trittbrett herausklappbaren Fussrasten für die Sozia (männliche Beifahrer sind natürlich mitgemeint), die Halterung für den Citybag oder Rucksack im Kniebereich oder das praktische, aufklappbare Fach ganz unten. Ein Druck auf den Touchscreen entsperrt die Verriegelung der Sitzbank, unter der sich die Steckplätze für bis zu drei Akkupacks befinden – zwei sind im Preis inbegriffen, das dritte ist optional gegen Aufpreis erhältlich. Drei Säulen zeigen den Ladestatus der Akkupacks im Display an, das gefällt mir deutlich besser als eine unzuverlässige Restreichweite. Wer keine Garage mit Stromanschluss sein Eigen nennt, kann die herausnehmbaren Akkus zum Aufladen mit in die Wohnung oder ins Büro nehmen; praktisch. Apropos praktisch: Im Handschuhfach befindet sich ein klassischer Anschluss für Zigarettenanzünder, in den sich ein UBS-Ladeadapter für Smartphone und Co. einstecken lässt.

Der Kumpan verfügt über eine Keyless-Technologie, die den physischen Schlüssel überflüssig macht: Der Roller kann via App und Bluetooth per Handy entsperrt werden. Insgesamt fünf Fahrer und Fahrerinnen können sich so den Elektrogleiter teilen. Das ist praktisch für Familien, Firmen oder WGs – vorausgesetzt, man ist sich einig, wer allfällige Verkehrsbussen bezahlt. Mein Vorschlag: ebenfalls teilen. Sharing ist ja bekanntlich caring.

Ein Druck auf den Button überm Handschuhfach auf Kniehöhe, dann signalisiert er mit grünem Licht Fahrbereitschaft. Das 7-Zoll-Display fungiert als Touchpad, die Anzeige ist gut lesbar, die Menüführung einfach und selbsterklärend. Vor dem Losfahren müssen beide Handbremshebel gleichzeitig gezogen werden, dann noch im Display auf «Start» drücken, nun ist der Kumpan startklar. Das Prozedere verhindert unbeabsichtigte Inbetriebnahmen.

Schon gehts los – «los» wie in «geräuschlos». Ich schwimme mühelos im Verkehr mit. Ausserhalb der Ortschaft muss ich mich nicht von Autos überholen lassen. Mit einer Spitzengeschwindigkeit von 100 km/h ist der Kumpan der Schnellste seiner Zunft.

Wie ein guter Freund bringt er mich mühelos, wohin ich möchte. Entschleunigte Beschleunigung könnte man das nennen: flott, aber nicht hektisch.

Nachhaltigkeit hat beim Kumpan Vorfahrt: 90 Prozent der Komponenten stammen aus Europa, stattliche 80 Prozent aus Deutschland. Kurze Lieferwege schonen Ressourcen.

Stromer ST2: Der Wolf im Schafspelz

Stromer ist ein Schweizer Unternehmen, gegründet im Jahr 2009. Das Speed Pedelec wurde von A wie Akku bis Z wie Zahnriemen aus Karbon in der Schweiz entwickelt. Der Heckmotor ist in die Nabe integriert – ein Gewinn nicht nur für die Optik, sondern auch für die Energiebilanz, da beim Verzögern entstehende Energie in die Batterie eingespeist wird, Rekuperation ist das Stichwort. Beim ST2 stehen mir per Knopfdruck für die Tretunterstützung drei Leistungsstufen sowie eine 5-Gang-Nabenschaltung zur Verfügung.

Stromer ST2 S-Pedelec in der Stadt
Stromer ST2: Unter den Pedelecs die S-Klasse. Klasse! (Foto: Claudia Ziegler)

Der Motor ist so kraftvoll, dass ich auch mit über 20 km/h bergauf nicht in Gefahr gerate, zu schwitzen – wenn ich das nicht will. Trete ich kräftiger in die Pedale, komme ich sogar auf über 40 km/h – bergauf. In der Ebene sind sogar 45 km/h locker machbar. Damit qualifiziert sich das ST2 auch für längere Strecken, zum Beispiel, um ins Büro zu pendeln. Der Hersteller verspricht bei optimalen Bedingungen 120 Kilometer Reichweite. Wer die höchste Tretunterstützung haben will, stellt sich auf rund 60 Kilometer ein, dann darfs auch ruhig mal bergauf gehen. Das sollte für die meisten Schweizer Pendlerinnen und Pendler ins Büro und wieder nach Hause reichen. Den gesundheitlichen Nutzen durch Bewegung und erhöhte Sauerstoffzufuhr gibt es gratis dazu. Im Stadtverkehr ist man der Wolf im Schafspelz und nur am gelben Kennzeichen zu erkennen.

Mühelos und kraftvoll

Ich stelle fest: Velofahren macht viel Spass – insbesondere wenn es nicht zu anstrengend wird, was bei langen Steigungen und geringen sportlichen Ambitionen unvermeidlich ist. Das ST2 ist zudem ein echter Hingucker, da hängen keine Kabel und Züge unmotiviert in der Gegend herum, sondern verschwinden in Lenker und Rahmen, genau wie der herausnehmbare Akku. Das Licht sorgt dafür, dass man nach Einbruch der Dunkelheit nicht nur gesehen wird, sondern noch selber etwas sieht. Und die Hupe ist so laut, dass mancher Töfffahrer vor Neid erblasst. Die breiten Reifen sorgen für ein komfortables Fahrgefühl, die Sitzposition ist bequem, aber dennoch sportlich. Das ST2 kommt mit einem Zahnriemen statt einer Kette, potenziell lästige Tasks wie Kette schmieren nach Regenfahrten entfallen. Ein Gepäckträger ist serienmässig.

Fazit: Für die Fahrt an den Badesee mit Passagier würde ich den Kumpan favorisieren. Und auch für Fahrten bei schlechtem Wetter, da die Hosen und Schuhe gut vor Spritzwasser geschützt sind. So erreicht man auch ohne zusätzliche Regenschutzkleidung das Office in ordentlichem Zustand. Ausserdem kann man auch weitere Strecken in kurzer Zeit zurücklegen, quasi als Autoersatz.

Zum täglichen Pendeln und für Spass am Wochenende wäre aber der Stromer ST2 meine erste Wahl. Durch die eigene Muskelkraft tut man etwas für die Gesundheit – ausserdem wird die Umweltbelastung durch geringeren Stromverbrauch reduziert. So hat auch die Allgemeinheit etwas davon. Da im Wort Allgemeinheit das Wörtchen Gemeinheit steckt: Beide Fahrzeuge können via GPS geortet werden, falls mal jemand anderes Gefallen an den zwei Hübschen finden sollte.

(Der Text «Roller oder Bike?» wurde am 26.03.2021  in der Bilanz veröffentlicht)

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