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Pan America: Dreck steht ihr gut

Harley-Davidson Reiseenduro Pan America: Die Reiseenduro bietet ein einzigartiges Fahrerlebnis, selbst im Gelände. Sie ist stark, leicht und sportlich. Ein Fahrbericht.
Pan America von Harley-Davidson im Gelände.

Harley-Davidson wagt sich mit der Pan America auf neues Terrain. Und das darf man wörtlich nehmen.

Um keine Zeit zu verschwenden, verrate ich Ihnen gleich, was ich von der neuen Harley halte: Wow! Ihre Erscheinung ist ein Statement: Schaut her, ich bin neu, ich bin anders, ich bin Abenteuer! Und ein Abenteuer ist dieses Motorrad auch für Harley-Davidson: Die Pan America ist deren erste Reiseenduro und eine komplette Neuentwicklung. Die Entwickler mussten nichts Vorhandenes verbauen, sondern konnten die feinen Zutaten selbst zusammenstellen. Ein klarer Vorteil.

Die Reiseenduro ist der SUV unter den Motorrädern: Oft hält die Geländegängigkeit nicht, was die Optik verspricht. Das gilt auch für deren Besitzer, die zumeist eher Beton-als Schlammwüsten durchqueren. Grossenduros besitzen eine grosse Reichweite, sind bequem und regelrechte Lastenesel. Manche lassen sich aber tatsächlich dort bewegen, wo Strassen nicht nur keine Namen, sondern auch keinen Belag haben, oder aufhören – eben dort, wo Freiheit und Abenteuer beginnen. Und so ein Bike ist die Pan America, die ich vor dem offiziellen Launch in Amerika im deutschen Westerwald fahren konnte. Für mich besteht kein Zweifel: Die «Pan Am» wird Herzen und Marktanteile erobern. Vielen Details merkt man an, dass die Entwickler prüften, was sich bei der Konkurrenz bewährt hat und was sich verbessern lässt.

Gamechanger für kleinere Fahrer

Mit zwei Handgriffen lässt sich der Sitz um zwei Zentimeter in der Höhe verstellen. Die Pan America 1250 Special besitzt ein semiaktives Fahrwerk, das erkennt, ob man allein, zu zweit oder mit Gepäck unterwegs ist. Praktisch. Der Knüller jedoch ist das innovative (und optionale) ARH-System (Adaptive Ride Height): Das Motorrad senkt sich beim Anhalten um bis zu fünf Zentimeter ab. Automatisch. Das sorgt für einen sicheren Stand, ohne die Fahreigenschaften zu beeinträchtigen. Für kürzer geratene Fahrer ein richtiger Gamechanger.

Damit keiner sagt, dass die «Pan Am» ein Schönwettermotorrad sei, durften wir die Maschine nahe dem Gefrierpunkt, bei Sonne, Regen und Schneefall fahren. Perfekt. Für die wärmenden Heizgriffe war ich enorm dankbar.

An leichte Sportenduros gewöhnt, hatte ich Bedenken, wie sich dieses Dickschiff im Gelände bändigen lässt. Ich wurde positiv überrascht: Die elektronischen Helferlein der zwei Offroad-Fahrmodi sorgen mit Traktionskontrolle und ABS für Selbstvertrauen und eine steile Lern- und Spasskurve. Das Adventurebike ist gut ausbalanciert und wirkt leichter, als die Zahlen auf dem Papier vermuten lassen. Das Deaktivieren von ABS und Traktionskontrolle brachte mir zusätzlichen Spass: Driften wird hierdurch für geübtere Fahrerinnen und Fahrer möglich.

Egal, welchen Untergrund man unter die Guss- oder (optionalen) Speichenräder nimmt: Fahrfreude ist garantiert. Der «Pan Am» steht Dreck ausgesprochen gut: Für profane Schotterwege ist sie fast schon zu schade, sie hat eindeutig mehr drauf. Schlammige, rutschige Auffahrten und lockeres Geröll machen ihr Spass. Sogar Sprünge sind drin. Problemlos. Mit ihr kann man es auch abseits der Strasse ordentlich krachen lassen. Wobei «krachen» relativ ist: Sie erfüllt die strengen Euro-5-Geräusch- und Abgasnormen,  quasi Musterschülerin.

Mehr als genug Power, gut dosierbar

Anderntags nahmen wir eine 200-Kilometer-Tour unter die Räder: Von einer breit ausgebauten Landstrasse über kurvenreiche schmale Strässchen mit allen möglichen Belagszuständen bis hin zur Autobahnetappe war alles im Angebot. Feuchte Stellen, Dreck oder Nässe auf der Fahrbahn beeindruckten die Pan America nicht. Per Knopfdruck wechsle ich die Fahrmodi Road, Sport und Rain, die sich deutlich unterscheiden. Das Touch-Display ist gut ablesbar. Die Armaturen sind ergonomisch positioniert und lassen sich intuitiv bedienen. Das Fahrerlebnis kann ich am besten mit dem Begriff souverän zusammenfassen. Im gesamten Drehzahlbereich steht mehr als genug Power zur Verfügung, gut dosierbar. Macht Laune.

Leider kann ich nicht auf all die technischen Leckerbissen eingehen. Nur so viel: Kundigen rinnen Freudentränen über die Wangen, wenn von hydraulischem Ventilspielausgleich, variablen Ein- und Auslassventil-Steuerzeiten und einem Antrieb mit vollständigem Massenausgleich die Rede ist. Oder von Trockensumpfschmierung, einem 30-Grad-Hubzapfenversatz und Kurvenantriebsschlupfregelung. Den Laien freut, dass er sich Kosten für die Ventilspieleinstellung spart und der Revolution-Max-1250-Motor drehfreudig, vibrationsarm und robust ist.

Keine Frage: Die Pan America ist gekommen, um zu bleiben. Ihr Preis ist eine Kampfansage. Zumal heizbare Griffe, Gepäckträger, Sturzbügel und Tempomat Serie sind. Sie ist die Harley für alle, die nie eine Harley haben wollten – und die, welche Harley-Davidson sowieso für die beste Motorradmarke der Welt halten.



Fakten
Pan America 1250 (RA 1250) und Pan America 1250 Special (RA 1250S) Hubraum: 1250 ccm
Leistung: 112kW, 152 PS
Drehmoment: 128 Nm
Leergewicht inkl. Betriebsstoffe (fahrfertig): 245 kg (RA 1250S: 258 kg) Kraftstoffverbrauch: ca. 5,5 l

Ausstattung
Standard: Brembo-Bremsen, einstellbares Showa-Fahrwerk, Touchscreen-Display, Cornering Rider Safety Enhancements (kurvenoptimierte Bremskraftverteilung, Kurven-ABS, Kurven-Traktionskontrolle, Kurven-Antriebsschlupfregelung und einen Fahrzeughalteassistenten zum Anfahren am Berg)
Special zusätzlich: Einstellbares Bremspedal, semiaktives Fahrwerk, Hauptständer, Reifenluftdruck-Kontrollsystem, Hauptständer, Leichtmetall-Motorschutz, Adaptiver Daymaker-Signature-Scheinwerfer, optional ARH (Adaptive Ride Height System)

Zubehör: Speichenräder, diverse Gepäcksysteme, Tankrucksack

Voraussichtlich in der Schweiz im Handel Juni 2021

Unverbindliche Preisempfehlungen Schweiz Pan America 1250 (RA 1250): ab 16700 Fr., Pan America 1250 Special (RA 1250S): ab 19 700 Fr.


(Der Text «Die andere Harley» wurde in der Nr. 18 am 29.04.2021  in der Handelszeitung veröffentlicht)

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